Erlenwäldchen Observatorium OWL
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Taukappenheizung

Wie blöd, wenn bei besten Beobachtungsbedingungen Taubildung die Aufnahmen versaut.

An diesem Problem leiden hauptsächlich Refraktoren und SCs, bei den Newtons liegt der Spiegel so tief, dass ich noch nie eine Betauung hatte - allerdings arbeite ich fast ausschließlich mit Refraktoren und da trifft mich der Tau.

 

Ursachen

 

Wieso taut eine in den nächtlichen Himmel gerichtete Linse bzw. Glasfläche eigentlich überhaupt zu? Ich habe dazu zwei Erklärungen gefunden, die zwei unterschiedliche physikalische Phänomene beschreiben, aber vermutlich beide wirksam sind und Glasflächen betauen lassen.

 

1. Himmelstemperatur.

Die (Strahlungs)Temperatur eines klaren Himmels liegt deutlich unter der Umgebungstemperatur, nach meinen ersten und bei weitem noch nicht umfassenden Messungen (siehe Projekt Wolkensensor) lag die vom IR Sensor gemeldete Temperatur eines klaren nächtlichen Himmels 25° unter der Umgebungstemperatur. Dadurch kühlt eine dem Himmel zugewandte Linse durch Strahlung aus.

2. Wärmeabstrahlung von Glas:

Glas strahlt Wärme gerne und stärker ab als andere Materialien (das ist eine nahezu bis zur Falschheit vereinfachte Darstellung....) und hat damit eine niedrigere Temperatur - einer der Gründe dafür, dass Taukappen funktionieren, denn sie reduzieren die Wärmeabstrahlung der Linsen bzw. Glasflächen. Ich bitte die Physiker unter den Lesern um Korrektur bzw. Erhellung.

 

Wenn nun nächtens der Taupunkt (Temperatur, bei der Flüssigkeiten aus Gasen ausgeschieden werden, d.h. Überschreitung des Sättigungspunktes) nahe an der Umgebungstemperatur und über der - meist niedrigeren Linsentemperatur - liegt, dann beschlägt die Linse.

 

Gegenmaßnahmen

 

Isolierung der Taukappe des OTA.

Gerade Punkt 2 führt natürlich dazu, dass eine - gutgemeinte - "Taukappe" aus Alu kompletter Blödsinn ist, denn Metall ist nun mal ein guter Wärmeleiter. Einige haben die Originalen Taukappen durch Eigenbauten aus Styropor-Blöcken ersetzt. Das war mir zu aufwändig und ich habe meine Taukappe mit Heizkörper-Dämmfolie leicht gedämmt.

 

Beheizung

Nach meinen Erfahrungen der einzig zuverlässige Weg - seitdem ich meine Taukappe beheize, habe ich nie wieder Taubildung gehabt. Entscheidend ist hier die zugeführte Heizleistung: Ist sie zu niedrig, taut die Linse trotzdem zu, ist sie zu hoch, bildet sich über der Linse kein statisches Wärmepolster sondern eine turbulente Luftströmung, die die Bildqualität senken.

Wieviel ist denn richtig?

Am besten ist es natürlich, wenn die Luft über der Linse in der Taukappe eine Temperatur nahe der Umgebungstemperatur (wenig Turbulenzen) und leicht über dem Taupunkt (kein Beschlag) liegt. Nach meinen bisherigen Erfahrungen reicht es, wenn die Temperatur der Taukappe etwa 1...2° über der Umgebungstemperatur liegt.

Und wie bekomme ich "1...2°C?

IIn einigen Artikeln wird die Teleskopöffnung als Bemessungsgrundlage für die Heizleistung herangezogen. Kann man machen.... man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass der gesamte thermodynamisch wirksame Teil des Teleskops einen nicht zu vernachlässigenden Einfluß hat - es ist schon ein Unterschied, ob ich eine Taukappe aus Alu, aus Kunststoff oder Styropor habe.

 

Taukappenheizung und Isolierung mit Heizkörper-Dämmfolie. Auf der Taukappe ist der Prototyp des Wolkensensors noch provisorisch befestigt - der hat nix mit der Heizung zu tun.

Aufbau

Die Taukappe wird im unteren Bereich, also in Linsennähe, mit Widerstandsdraht umwickelt und anschliessend wäremisoliert. Ich verwende einen Draht mit 1,8 Ohm pro Meter bei einer Drahtlänge von etwas mehr als 5m, d.h. der Widerstand liegt bei etwa 10 Ohm - kommt nicht so genau wie wir sehen werden.

Der Draht wird mit 12V 800Hz PWM gespeist. Bei der PWM kann man das Verhältnis "Strom fließt" zu "Strom fließt nicht" pro Periode von 0 bis 100% einstellen, d.h. bei einem sog. Tastverhältnis von 50% fließt nur die Hälte der Zeit Strom und damit führe ich auch nur die halbe Leistung zu.

 

Bei 12V und 10 Ohm ergibt sich damit eine maximale Heizleistung (P = U² / R) von 14,4 Watt bei einem Tastverhältnis von 100%. Durch Änderung des Tastverhältnisses kann ich also die Leistung von 0 bis etwa 15W stufenlos einstellen. Ein Temperatursensor auf der Taukappe misst die Temperatur der Taukappe. Die Leistung stelle ich dann i.d.R. so ein, dass die Taukappentemperatur etwa 1,5°C über der Umgebungstemperatur liegt. Bei meinem 130mm APO mit Alu-Taukappe reichen dazu meist 3 Watt, für den kleineren 80mm APO tun es auch 2 Watt.

Details

Konstantan-Draht ist etwas umständlich in der Verarbeitung, weil er deutlich weniger elastisch und geschmeidig als etwa Kupferdraht ist und daher beim Aufwickeln auf die Taukappe zum selbständigen Abwickeln neigt.  Der Draht ist isoliert, kann also auch direkt auf Metallflächen gewickelt werden. Die Isolierung des Drahtes muss man an den Enden mit einer kleinen Feile entfernen und die Kabel dann bei recht hoher Temperatur anlöten.

Zur Temperaturmessung verwende ich Sensoren des Typs TSIC (TSIC 206). Die sind recht genau, der entscheidende Grund zur Wahl war allerdings die Einfachheit des Übertragungsprotokolls: eine leicht modifizierte Variante der Manchester Code Übertragung. Diese lässt sich besonders resourcenschonend auf einem Microcontroller implementieren.

Der TSIC ist mit Wärmeleitkleber direkt auf die äussere Oberfläche der Taukappe geklebt und über eine eigene geschirmte Leitung (hochflexible Mikrophonleitung mit Textilverstärkung) mit dem Controller verbunden. Der Schirm ist allerdings nur einseitg an Masse angeschlossen und der TSIC erhält seine Masseverbindung über die zweite "Heizleitung". Die Kabel sind mit etwas Sekundenkleber fixiert und die Heizkörper-Isofolie mit Teppichklebeband befestigt.

Im ersten Entwurf habe ich ein 4-adriges Kabel verwendet, welches sowohl den TSIC als auch die Heizung versorgte. Allerding führten die steilen Flanken des PWM-Signals auf der Heizleitung zu einer signifikant hohen Fehlerrate beim Auslesen des TSIC.

Bis auf die schon erwähnte Mikrophonleitungen für die Temperatursensoren verwende ich sonst ausschleißlich sog. "Elektronik-Kabel" aus PUR. Sie sind etwass sperriger in der Verarbeitung, behalten ihre Flexibilität jedoch auch bei niedrigen Temperaturen. Und den Einfluss hartgefrorener und/oder schwerer Kabel auf die Bewegungsfähigkeit des OTA bei der Nachführung oder bei Slews sollte man wirklich nicht unterschätzen!

 

Wirkung

Die Bilder zeigen den Temperaturverlauf: Die Temperatur des Rohres ist in Blau dargestellt, Taukappentemperatur in Rot und die Umgebungstemperatur in Grün.

Anfangszustand unbeheizt. Die Taukappentemperatur liegt etwa 1,5°C unter der Umgebungstemperatur. Um 19:20 habe ich die Heizung mit einer Leistung von 1,5W eingeschaltet.

Nach etwa 15 Minuten ist ein thermisches Gleichgewicht hergestellt. Die Taukappentemperatur liegt nun 0,75°C über der Umgebungstemperatur.

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